Offener Brief sozialer Bewegungen und gesellschaftlicher Institutionen an die Hamburger und Berliner Politik

(update 19.Juni)

Am 22. Juni soll der argentinische Präsident Javier Milei in Hamburg von der Hayek-Gesellschaft die diesjährige Hayek-Medaille überreicht bekommen. Die Unterzeichnenden fordern die Absage der Veranstaltung und lehnen den Besuch Mileis in Deutschland ab. Sie rufen die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft auf, sich klar gegen die ultrarechte und extrem marktliberale Politik Mileis zu positionieren. Mileis Besuch fördert die Schaffung internationaler rechtsextremer Netzwerke und destabilisiert bewusst sozialstaatliche Errungenschaften.

Die Politik von Milei hat schon jetzt zu drastischen Verschlechterungen in verschiedenen Politik- und Gesellschaftsbereichen Argentiniens geführt:

– Fast 60 % der argentinischen Bevölkerung leben in Armut, darunter mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen, von denen etwa ein Drittel von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, 14 % davon sogar in hohem Maße.

– Demokratische Rechte, die in den letzten 40 Jahren gewonnen wurden, werden abgebaut. Dies trifft vor allem Arbeitnehmer:innen, Rentner:innen, Frauen*, die LGBTQ+-Gemeinschaft, indigene Gemeinschaften, Jugendliche und Kinder.

– im öffentlichen Dienst werden tausende Beschäftigte entlassen, es kommt zu drastischen Mittelkürzungen der staatlichen Universitäten, Einschränkungen der Kulturausgaben und die Privatisierung des öffentlichen Rundfunks wird vorbereitet

– Milei verharmlost die Militärdikatur und leugnet damit historische Verantwortung gegenüber Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Mileis Politik kürzt die Mittel für die Erinnerungspolitik, was Menschensrechtorganisationen wie die Mütter und Großmütter der Plaza de Mayo sowie die Institutionen der Aufarbeitung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Militärdiktatur gefährdert. Um das Gedenken gegenüber dem Opfer und Überlebenden der Diktatur zu schützen, muss gegen diese Kürzungen gekämpft werden.

– Der Fokus auf die extraktivistische Politik zugunsten der Großkonzerne verschenkt natürliche Ressourcen und verweigert den indigenen Gemeinschaften ihr in der Verfassung verankertes Eigentum.

– Die Abschaffung der Genderperspektive in der nationalen Verwaltung  versucht die vom Feminismus in den letzten zehn Jahren geförderte Gleichstellungspolitik zunichte zu machen.

– Zunehmend geht die Regierung auch mit Gewalt gegen soziale Bewegungen, politische Organisationen und Gewerkschaften vor und ruft offen zu Hass und Gewalt gegen diese auf.

Die in Berlin ansässige Friedrich August von Hayek-Gesell­­schaft e.V. hat Javier Milei zum diesjährigen Preisträger der Hayek-Medaille bestimmt. Der Vorsitzende der Gesellschaft, Prof. Dr. Stefan Kooths sagte in einem öffentlichen Interview: „Milei ist ein Glücksfall für den Liberalismus“. Die Hayek-Gesellschaft vertritt die Thesen des ultraliberalen Ökonomen Hayek, der als Vater des Neoliberalismus gilt und maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der chilenischen Militärdiktatur in den 1970er und 1980er Jahren hatte. Nach einem Bruch im Jahr 2015 verließen viele gemäßigte Kräfte die Organisation, während AfD-Mitglieder wie Beatrix von Storch weiterhin Mitglied sind.

Mit dem Besuch sollen die Netzwerke der internationalen rechtsextremen Bewegungen gestärkt und das Denken extremer Vertreter einer gegen staatliche Maßnahmen gerichteter marktradikalen Wirtschaftspolitik aufgewertet werden, was in Fällen konkreter Anwendung in den 1970er und 1980er Jahren, wie in Chile und in Großbritannien, zu wirtschaftspolitischen Katastrophen und massiver Verarmung breiter Teile der Bevölkerung geführt hat.

Es ist entscheidend, diese extrem rechten Kräfte gemeinsam zu stoppen.

Aus all diesen Gründen lehnen die unterzeichnenden Einzelpersonen und Organisationen den Besuch Javier Mileis und die Verleihung der Hayek-Medaille ab.

Kein Preis für ultrarechte Präsidenten.
Keine Medaille für Milei.

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unterzeichnenden Gruppen und Einzelpersonen:

Abya Yala Anticolonial

Mujeres en Movimiento Hamburg

Mujeres sin fonteras

Voz Latina Hamburgo

Colombia Solidaria

​​​​​​​H.I.J.O.S. Deutschland (Kinder für die Identität und Gerechtigkeit gegen das Vergessen und das Schweigen – Nachkommen der Verschwundenen der Militärdiktatur in Argentinien)

Zapapres e.V.

Interventionistische Linke Hamburg

wer hat, der gibt

ISO Hamburg

A.S.A – Asamblea en Solidaridad con Argentina en Berlin

Gira Zapatista Gruppe Hamburg

Die Linke – Landesverband Hamburg

Debt for Climate Germany